Zum Vierten Advent gibt es eine kleine magische Buchhandlunggeschichte. Sie handelt von einem Wörterbuch, das ich dank des allwissenden Internets auf die 1890er Jahre datieren kann.
In wunderbarer Frakturschrift finden sich darin zu selten benutzte Worte wie
Monster-Meeting (eine unermeßliche riesige Versammlung!),
Pathopatridalgie (Heimweh!), oder auch
Quarantäne (das Recht vierzigtägiger Witwenwohnung!).
Und nach guter Moers’scher Buchheim-Tradition habe ich das Buch nicht selbst gefunden, sondern bekam es geschenkt von einem Fremden.
Es ist schon 10 Jahre her, dass ich einmal an der Ruhr Universität Bochum studierte, aber trotzdem gehe ich weiterhin gerne auf den brutalistischen, postapokalyptisch anmutenden Campus. Dort gibt es ein kleines Häuschen, das sich Campus-Center nennt. Es beherbergt neben einer Kaffeekette, einem Schreibwarenladen und dem besten Hutzeligen LP-Laden der Welt (weißer Rauschebart-Besitzer) einen Buchladen mit antiquarischem Bestand.
Ich hatte einen freien Tag und unerklärte schlechte Laune, als es mich nach langer Zeit wieder in den Buchladen verschlug.
Für einen lächerlichen Betrag erstund ich eine Handvoll zauberhafter gebrauchter Bücher (Martha Grimes, Patricia Highsmith, Jaque Kerouaq) und wandte mich nach dem Zahlen zum Gehen, als mich der Verkäufer zurückrief und mir Das Buch in die Hand drückte.
Hier, schenk ich dir!
Ich bedankte mich verwirrt und dann bediente er auch schon die nächsten Kunden, also spazierte ich etwas weniger schlecht gelaunt mit meinem Schatz davon.
Kannte er mich noch von früher, war ich eine glückliche Stammkundin? Bekamen alle Kaufenden ein altes Buch geschenkt, oder nur die, die gebrauchte Bücher mitnahmen?
Es hätte mir was von dem Zauber genommen, wenn ich ihn direkt danach gefragt hätte.
Im nahegelegenen Kulturcafé schlug ich als erstes das Wörterbuch auf.
Es war gefüllt mit getrockneten Blumen. Getrost darf der Amélie- Soundtrack hier im Hintergrund imaginiert werden.
Wie es Launen aber so an sich haben, verflog trotz des eben empfangenen Schatzes meine Miesepeterstimmung noch immer nicht.
Erst, als ich auf den Heimweg an der U-Bahn Haltestelle ankam, holte das Buch zum letzten Schlag aus.
Ich traf auf meinen Freund Max, der sich grundsätzlich durch eine eher enthusiastisch ausgeprägte Gefühlslage auszeichnet. Das war perfekt, weil ich ihm direkt meine Büchergeschichte erzählen und Wunder/Freude darüber mit ihm teilen konnte.
Ich gab ihm das Buch zum Blättern, und die erste Seite, die er aufschlug – von der ich bis heute überzeugt bin, dass nur er sie aufschlagen konnte, weil meine Miesepetrigkeit das verhindert hatte – dort befand sich ein ganzer Schwarm gepresster Vierblättriger Kleeblätter.
Habt ihr schonmal ein Vierblättriges Kleeblatt gesehen? Ich noch nie. Und ich gucke immer nach wenn da Klee liegt. Ich sah also jetzt zum ersten Mal in meinem Leben ein Vierblättriges Kleeblatt, und dann gleich eine ganze Sammlung davon.
Kurzum, meine Laune war umgeschwungen, es hatte nur eine antiquarische Buchhandlung, eine Geschenkte Antiquität, einen Menschen mit Glücklichem Händchen und einen Haufen Vierblättriger Kleeblätter gebraucht, um mich fröhlich zu stimmen.
Wenn es doch immer so einfach wäre.
Das Buch wird jetzt, wie man sieht, als Bildpräsentationsobjekt genutzt.
Der Max macht weiter Filmabende im Endstation (Support your Lockdown Cinema!). Und die Kleeblätter werden Stück für Stück gerahmt und an liebe Menschen verschenkt.
Der erste Satz des Buches lautet:
Die neue Auflage des „Handbuchs für Fremdwörter“ von Petri hat eine besondere Bedeutung.
Frohe Weihnachten, Leute. ⭐